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Spanien
 
 
Eine Hexe an der Kirche

 
So bekannt die Costa Brava als Urlaubsland ist, so wenig wird in unseren Breiten über ihr Hinterland berichtet. Doch auch dort gibt es vieles zu entdecken, und so wurde ein Tagestripp nach Girona für uns vor einigen Jahren zu einer echten Horizonterweiterung. Bei mehreren Aufenthalten in dieser Region hatten wir die Stadt im wahrsten Sinne des Wortes links liegen gelassen, und eine Bustour Ende der 90er-Jahre hatte uns nur die Erkenntnis gebracht, dass wir uns die Stadt wohl wirklich einmal genauer ansehen sollten. Das Manko dieser organisierten Fahrten, die am südlichen Ende der Costa Brava starten, besteht nämlich in der Regel darin, dass mehrere Sehenswürdigkeiten im nördlichen Bereich auf einmal quasi abgearbeitet werden, in unserem Fall das Dalí-Museum in Figueres und Girona. Was dann leider letztendlich dazu führt, dass man unter Umständen an beiden Orten das Gefühl hat, nicht genügend Zeit zu haben und doch etwas zu verpassen.

Da das in beiden Fällen mehr als schade wäre, haben wir uns jeweils noch einmal auf eigene Faust auf den Weg gemacht und so auch Girona für uns erkundet. Natürlich wird die Stadt von ihrer auf einem Hügel gelegenen Kathedrale geradezu überstrahlt, dennoch empfängt einen, wenn man vom Parkplatz über den Fluss Onyar in Richtung der Altstadt läuft, erst einmal ein angenehm alltägliches Flair, fernab jeder bildungsintensiven Hochkultur. Das Erste, was man am gegenüberliegenden Flussufer sieht, sind nämlich bunte Wohnhäuser, deren Fenster durch unzählige Wäscheleinen miteinander verbunden zu sein scheinen, an denen auch wirklich Wäsche getrocknet wird. Eigentlich ein Bild, das man meint, aus vielen klischeebehafteten Filmen über italienische Städte zu kennen.

Ebenso wohlvertraut aus anderen mediterranen Städten ist einem das Phänomen der Treppen: Durch die Hügellage geht es auch in der Altstadt von Girona überall treppauf-treppab, doch der Lohn für dieses Fitnesstraining ist immens: Man gelangt auf diese Weise nicht nur in die Kathedrale, deren imposantes Inneres nicht nur eines der größten gotischen Kirchenschiffe der Welt beherbergt, sondern auch ein Museum, in dem man den sogenannten Schöpfungsteppich bestaunen kann, ein Kunstwerk, das bereits im 11. Jahrhundert entstanden ist.

Hinter der Kathedrale befindet sich auch ein Park, von dem aus man auf die alte Stadtmauer steigen und darauf entlang spazieren kann.

Die Attraktion schlechthin an der Kathedrale aber ist ein Wasserspeier, wie es ihn mit Sicherheit kein zweites Mal gibt: Mitten in Katalonien, das ja nun seit mehr als zwei Jahrhunderten zu Spanien und damit einer der Hochburgen der Inquisition gehört, ist der bekannteste Wasserspeier der größten Kirche weit und breit wirklich und wahrhaftig eine Hexe!

Natürlich entbehrt die Geschichte dazu nicht des entsprechenden erhobenen Zeigefingers, denn die Hexe soll im Mittelalter in teuflischen Absichten Steine auf die Kathedrale oder, wie eine andere Version der Geschichte besagt, auf christliche Prozessionen geworfen haben. Durch eine göttliche Fügung soll sie als Strafe selbst zu Stein geworden sein, und die Bewohner Gironas haben sie im 14. Jahrhundert zur Abschreckung am höchstmöglichen Punkt der Kathedrale aufgehängt.

Nun, die Spanische Inquisition gibt es seit fast 200 Jahren nicht mehr, und auch die Hexen sind mehr das, was sie einmal waren. Diese hier taugt aber in jedem Fall noch immer als Touristenattraktion und Zierde jeder Art von Souvenirs einer Stadt, die man sich bei einem Aufenthalt an der Costa Brava nicht entgehen lassen sollte, denn sie ist auch, wenn man sie schon kennt, immer wieder mehr als eine Stippvisite wert.

(Dieser Blogeintrag ist ein Auszug aus der gleichnamigen, in meinem Buch „Höhenangst in Paris, böhmische Drachen und eine wenig bekannte Wiedergeburt“ im Anthea-Verlag erschienenen Reiseskizze. Sie können Sie auch in elektronischer Form in dem E-Book über das jeweilige Land erwerben.)
 
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