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Rumänien
 
Unverhofft kommt oft

Den Flug nach Bukarest hatte ich zugegebenermaßen komplett verschlafen, was jedoch, denke ich, verzeihlich ist, wenn man bedenkt, dass die Abflugzeit in Berlin 7.20 Uhr war und ich dementsprechend schon gegen halb sechs auf dem Flughafen sein musste. Deshalb hatte ich auch höchstens mit einem halben Auge darauf geachtet, wer eigentlich neben mir im Flugzeug saß. Eine nette junge Dame, die in ihr Buch vertieft war und mich deshalb nicht in meinen Bestrebungen, ein wenig Nachtschlaf nachzuholen, störte. Irgendwie kamen wir aber, als das Flugzeug gelandet war, doch noch ins Gespräch, und vom Einsteigen in den Shuttle-Bus des Flughafens bis zum Gepäckband schaffte sie es, mir viele Dinge mit auf den Weg zu geben, die mir meinen Besuch in Bukarest erheblich vereinfachen sollten.

Einer der wichtigsten Tipps war dabei der Hinweis auf eine Banksy-Ausstellung, die gerade im Triumphbogen stattfand und mit der ich, offen gestanden, in Bukarest überhaupt nicht gerechnet hätte. Der Zufall wollte es, dass ich auf der Fahrt vom Flughafen ins Hotel auch gleich am Triumphbogen vorbeikam, sodass ich schon von Weitem das berühmte Bild vom Mädchen mit dem Luftballon erkennen konnte, das sich knapp ein Jahr zuvor bei der Auktion von Sotheby’s, nachdem es für eine Million Pfund verkauft worden war, selbst bis zur Hälfte geschreddert hatte.

Durch dieses Bild und die erwähnte Aktion, die der Künstler als Kritik am Kunstmarkt verstanden wissen wollte, bin auch ich zum ersten Mal auf Banksy aufmerksam geworden. Umso mehr interessierte es mich nun, noch weitere Bilder von ihm zu sehen, und es hat sich mehr als gelohnt. Banksy spielt in seinen Grafiken mit vielen Ikonen der Bilderwelt der vergangenen Jahrzehnte. So gibt es ein Bild, das stark an Annie Leibovitz‘ Foto der schwangeren Demi Moore erinnert, hier allerdings mit einem Affengesicht und einer Zigarette im Mund. Affen sind ohnehin ein häufig wiederkehrendes Thema - sei es nun mit der Frisur, der Perlenkette und der Krone der Queen höchstpersönlich oder als Überbringer von Botschaften wie „We are all fakes“ oder „Laugh now, but one day we’ll be in charge.“

Textbotschaften sind natürlich ein wichtiger Bestandteil der Ausstellung, bei vielen der Grafiken jedoch gefriert einem buchstäblich das Lächeln, das ihre auf den ersten Blick harmlose Atmosphäre einem zunächst ins Gesicht zaubert, spätestens beim zweiten Hinschauen. Es ist schon schwer zu verkraften, wenn man erst sieht, dass Mickey Mouse und der Clown von McDonald’s ein Kind an den Händen halten, danach aber bemerkt, dass es sich dabei um das vietnamesische Mädchen handelt, das durch das Foto von seiner Flucht vor amerikanischem Napalm berühmt geworden ist. Wenn Christus am Kreuz noch mit Schleifchen geschmückte Einkaufstüten in den Händen hält, ist die Kritik am Konsumterror zu Weihnachten dagegen sofort offensichtlich.

Viel Kritik kommt in den Grafiken zum Ausdruck, subtil wie im Logo der „Paranoid Pictures“, das verdächtig an Paramount erinnert, oder ganz offen wie in dem Videofilm über den Krieg in Syrien, der in einem gesonderten Raum präsentiert wird. Das Meiste ist skurril und erfordert genaueres Hinsehen, wie die Gottesmutter, die dem Jesuskind atomar verseuchte Milch zu trinken gibt, oder der Leopard, der sich durch das Gitter des Strichcodes auf einem LKW den Weg ins Freie gebahnt hat.

Banksy provoziert: mit dem Mädchen, das statt einer Puppe eine Bombe im Arm hält, den innig küssenden Polizisten in britischer Uniform oder der Ratte mit dem Transparent: „Get out while you can“. Er durchbricht bekannte Muster, selbst der Karikatur, und konfrontiert einen immer wieder damit, dass er Klischees ad absurdum führt. Allein, weil sie so viel Unerwartetes bietet - wer hätte einen Künstler wie Banksy schon mit Gemälden in Verbindung gebracht, doch auch diese finden sich hier -, ist die Ausstellung, die sich durch den gesamten Triumphbogen zieht, unbedingt sehenswert. Wer nach den ersten Eindrücken eine Verschnaufpause braucht, wird nach dem Aufstieg im einen Pfeiler des Triumphbogens oben auf der Plattform übrigens mit einem grandiosen Blick über Bukarest belohnt, ehe man im anderen Pfeiler wieder hinuntersteigt.

Interessanterweise findet sich auf der Webseite des Künstlers ein Hinweis, dass es rund um die Welt Ausstellungen mit seinen Werken gebe, von denen jedoch keine mit ihm abgestimmt sei. Ob es sich dabei ebenfalls um seine Form von Protest gegen den Kunstmarkt handelt, vermag ich nicht zu sagen, denn die Art der Präsentation der Bilder machte auf mich zumindest durchaus einen professionellen Eindruck. Allerdings haben die Organisatoren einer ähnlichen Ausstellung in Moskau und Sankt Petersburg bestätigt, dass Banksy selbst mit ihrer Ausstellung nichts zu tun hatte. Möglicherweise sollte darauf auch der Affe hinweisen, der ein Schild mit der folgenden Aufschrift trug: „Sorry. Banksy is not here. Yet.“

 
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