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Reisen
 
 
Avignon, 09.09.1991 (Montag)

 
Nach dem gestrigen Ruhetag war der heutige dann doch wieder ziemlich stressig. Morgens sind wir von Sète nach Montpellier gefahren, um uns die Stadt noch einmal genauer zu Gemüte zu führen. Der Vormittag ging mit notwendigen Besorgungen wie der Unterbringung des Gepäcks am Bahnhof und dem Besuch einer Laverie, eines Selbstbedienungswaschsalons, vorüber. Die Mittagszeit nutzten wir dann für ein Siestastündchen in einem wunderschönen Park im alten Teil des Stadtzentrums, in der Nähe der Stelle, wo am Sonnabend der Markt stattgefunden hatte.

 
Nachmittags ging die Stadterkundung so richtig los. Zuerst spazierten wir ein bisschen durch die Straßen des Zentrums, und bei näherem Hinsehen stellten wir fest, dass die Mischung der verschiedenen Baustile eigentlich noch viel chaotischer ist, als es auf den ersten Blick scheint. Unsere erste Station war die St.-Pierre-Kathedrale, die sowohl von außen als auch innen sehr schön ist. Sie ist im gotischen Stil gebaut und hat ein sehr reich ausgestattetes Interieur. In jeder einzelnen Nische befinden sich nicht nur Nebenaltäre, sondern auch zahlreiche Gemälde. Interessant sind auch die vielen farbig gestalteten Fenster. So gibt es zum Beispiel zwei große Rundfenster, die jeweils die zwölf Apostel darstellen. Wenn die Sonne durch die bunten Fenster scheint, reflektieren die Figuren der Altäre in den Nischen, die aus weißem Marmor sind, das Licht und sehen aus, als wären sie künstlich farbig angestrahlt. Auch die Orgel passt sehr gut in das gesamte innenarchitektonische Ensemble der Kathedrale. Einen krassen Gegensatz dazu bildet meines Erachtens die Kirche Notre Dame des Tables, die wir uns danach ansahen. Sie verkörpert für meine Begriffe das gesamte Baustilchaos der Stadt. Einerseits wirkt sie eher wie eine Gemäldegalerie als wie eine Kirche, andererseits ist die Orgel so pompös und farblich nicht auf die sonst in der Kirche vorherrschende Einrichtung abgestimmt, dass sie nicht dezent im Hintergrund bleibt, sondern einen großen Teil der Aufmerksamkeit der Besucher auf sich zieht. Unpassend finde ich es auch, zwischen Heiligenbildern und -statuen, Lautsprechern und Wärmestrahlern in einer Kirche, die vordergründig von der Malerei beherrscht wird, ein Foto des Papstes mitten an einer der Wände, die das Schiff begrenzen, anzubringen. Das alles meine ich, wenn ich sage, dass sich hier die Architektur der Stadt widerspiegelt, wo Altes bei Weitem nicht immer gelungen mit Neuem versetzt wird.

Zum Abschluss unseres Besuchs in Montpellier waren wir noch im noblen Neubauviertel „L’Antigone“, wo Glas- und Sandsteinbauelemente sehr gut miteinander verbunden wurden. Insgesamt würde es sich sicher lohnen, sich für diese Stadt noch ein oder zwei Tage länger Zeit zu nehmen.

 
Abends ging für uns dann die Reise weiter – von der See an einen Fluss, vom Mittelmeer an die Rhone – nach Avignon. Hier haben wir allerdings noch so gut wie nichts von der Stadt gesehen, obwohl sie auf den ersten Blick einen sehr angenehmen Eindruck macht. Was es damit auf sich hat, werden wir sicher morgen herausfinden.
 
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