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Kroatien
 
Menschen von Jezera – eine Urlaubsreminiszenz

 
Wie es bei uns nicht selten vorkommt, herrschte auch in diesem Jahr lange Unklarheit darüber, wo und in welcher Form wir unseren Urlaub verbringen würden. Als sich endlich alle der Arbeit geschuldeten Unwägbarkeiten gelichtet hatten, war die Planung auch nur noch mit viel gutem Willen als „Last minute“ zu bezeichnen. Immerhin wussten wir inzwischen, dass es nach Kroatien gehen sollte. Die Suche nach einem geeigneten Quartier gestaltete sich jedoch insofern schwierig, als die im Internet verfügbaren Belegungskalender in den meisten Fällen nicht sehr häufig aktualisiert werden, sodass wir mit den Webseitenbetreibern gewissermaßen Hase und Igel spielten – wobei wir allerdings immer mehr dem gehetzten Hasen glichen. Kaum hatten wir eine Unterkunft gefunden, die uns gefiel und die für den geplanten Zeitraum auch grün markiert war, also hätte frei sein sollen, bekamen wir im Laufe der auf unsere Buchungsanfrage folgenden 24 Stunden immer wieder eine Mail, dass leider alles ausgebucht sei. Nachdem das eine Woche lang so gegangen war und der Urlaubstermin immer näher rückte, entschieden wir uns, direkt über eine Webseite zu buchen, was dann zum Glück auch gelang. Insofern können wir es uns trotz intensiver Suche nur bedingt auf die Fahnen schreiben, dass wir letztendlich in einem Ort gelandet sind, der voll und ganz unseren Vorstellungen entsprach; bei Lichte betrachtet hatte es doch sehr  viel mit Zufällen zu tun.
 
Was mir sicher am längsten in Erinnerung bleiben wird, sind aber wieder die Begegnungen mit Menschen, die zumindest den Sommer in Jezera verbringen. (Da es ein klassisches Sommerurlaubsziel ist, sind die meisten gezwungen, sich im Winter anderswo eine Arbeit zu suchen – in Zagreb, Split oder wo es sich sonst noch ergibt.) Dass diese Begegnungen fast ausnahmslos in Restaurants oder Geschäften stattfanden, ist der Tatsache geschuldet, dass wir den Begriff „Individualtourismus“ diesmal sehr wörtlich genommen haben und mit einer gemütlichen Ferienwohnung als Stammquartier sämtliche Ausflüge und Besichtigungen selbst geplant und unternommen haben.
 
Mehrmals verbrachten wir den Abend in einer Konoba - so heißen in Kroatien kleinere Restaurants und Weinstuben -, deren gut gelaunter Kellner uns gleich am ersten Abend aufgefallen war. In seinem blau-weiß gestreiften T-Shirt und den schwarzen Hosen sah er immer so aus, als wäre er direkt von einem Schiff gekommen, und wenn man hörte, wie er die Gäste in mindestens drei Sprachen unterhaltsam bediente, hätte man fast zu demselben Schluss kommen können. Überall machte er seine Späße, und kleinere organisatorische Unebenheiten glättete er durch seine Art, mit den Gästen umzugehen. So war das Lokal immer bis auf den letzten Tisch besetzt; wenn man nicht reserviert hatte, standen die Chancen, einen Platz zu bekommen, meist nicht gut. Der Kellner war ständig in Bewegung, jonglierte dabei auch zwischendurch mal mit dem einen oder anderen leeren Teller oder einer Flasche, und als Hajduk Split, der Lokalmatador unter den Fußballklubs, gegen eine ukrainische Mannschaft spielte, hatten auch sämtliche Gäste Verständnis dafür, dass der Kellner ab und zu vor dem großen Fernsehbildschirm stehen bleiben und aufpassen musste, dass seine Mannschaft auch wirklich gewinnt.
 
Doch auch im Dorf selbst haben wir vieles erlebt, das uns im Gedächtnis bleiben wird. So finden auf dem kleinen Marktplatz im Sommer regelmäßig Feste und Konzerte statt. Man konnte gegrillte Sardellen essen, Wein trinken und Live-Musik hören - häufig von Cover-Bands. Eine der Gruppen ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Sie spielte zunächst kroatische, später internationale Musik verschiedenster Stilrichtungen: Von Disco-Fox über Salsa bis hin zum Twist war alles dabei. Der Sänger Ivan Stapić hat es dabei geschafft, dass nach und nach die meisten Zuhörer anfingen zu tanzen, und letztendlich war es wie eine Freiluftdisco, an der sich mindestens 60 Personen im geschätzten Alter zwischen 20 und 60 Jahren beteiligten. Die Band spielte zwei Stunden lang nonstop, und eine Gruppe junger Leute zog immer mehr Menschen auf die spontan entstandene Tanzfläche - völlig ohne Ansehen des Alters, Geschlechts oder der Nationalität. Die Atmosphäre war so ausgelassen, dass sogar eine Mutter ihren offensichtlich autistischen Sohn - ob noch Teenager oder schon älter, war schwer zu sagen - zu einem der Mädchen brachte, damit sie mit ihm tanzt und er auch Spaß hat. Zwar hat ihn die Situation überfordert, aber die junge Frau nahm ihn an beiden Händen und hat sich wirklich redlich bemüht.
 
Ja, auch diese Situationen haben Jezera im Sommer 2016 ausgemacht und so dazu beigetragen, dass wir jetzt schon überlegen, wann wir das nächste Mal dorthin fahren. Do viđenija, Kroatien, wir kommen ganz bestimmt wieder!

(Dieser Blogeintrag ist ein Auszug aus der gleichnamigen, in meinem Buch „Höhenangst in Paris, böhmische Drachen und eine wenig bekannte Wiedergeburt“ im Anthea-Verlag erschienenen Reiseskizze. Sie können Sie auch in elektronischer Form in dem E-Book über das jeweilige Land erwerben.)
 
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