- Literatur - Reiseblog

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü:

Frankreich
 
Ein Schlosspark ohne Schloss

 
Die Tuilerien sind für deutsche Verhältnisse wohl eher ein Park, der im Französischen aber „Jardin des Tuileries“ heißt. Die Entfernung von den Tuilerien bis zum großen Triumphbogen, dem weltberühmten Arc de Triomphe an der „Stirnseite“ der Champs-Élysées, die zurückzulegen wir uns für diesen Tag auf jeden Fall noch vorgenommen hatten, beträgt übrigens 1910 Meter. Das heißt, dass uns eine kleine Erholungsphase nur zupass kommen konnte. Die Idee für die Anlage der Tuilerien hatte im 16. Jahrhundert die damalige Königinmutter Katharina von Medici, die 1564 den Entschluss fasste, ein eigenes Domizil westlich des Louvre haben zu wollen, woraufhin der Bau des Château des Tuileries in Angriff genommen wurde. Es entstand an der Stelle, an der François I. um 1518 ein Landhaus für seine Mutter hatte bauen lassen – das erste Château des Tuileries. In diesem Schloss hat Katharina von Medici allerdings nie gelebt, weil ein ungünstiges Horoskop sie davon abgehalten hatte, dort einzuziehen. Später brannte das Schloss, nachdem es eine recht wechselvolle Geschichte hinter sich hatte, in den ersten Tagen der Pariser Kommune im März 1871 nieder und wurde 1884 endgültig komplett abgerissen. Ursprünglich hatte auch der Louvre dieses Schicksal teilen sollen, doch das wurde glücklicherweise noch rechtzeitig verhindert. Interessant ist an dieser Stelle vielleicht noch, dass es die Vorläufer der Berliner „Mauerspechte“ schon mehr als hundert Jahre zuvor in Paris gegeben hat: Beim Abriss des Château des Tuileries kaufte nämlich die Zeitung „Le Figaro“ die Schlosstrümmer auf und verschenkte sie in kleinen Stücken als Briefbeschwerer an ihre Abonnenten.

 
Der Park der Tuilerien ist jedoch bis heute erhalten geblieben. Er wurde zunächst von Pierre Le Nôtre im italienischen Stil angelegt und nach einigen Wechseln des Gartenbauarchitekten 1664 von dessen Enkel André Le Nôtre, an den auch heute noch eine Gedenktafel am Ausgang zum Place de la Concorde erinnert, als französischer Garten vollendet. Der Vorschlag, den Schlossgarten öffentlich zugänglich zu machen, stammte übrigens von keinem anderen als dem bis in die heutige Zeit weltbekannten Schriftsteller und Märchenerzähler Charles Perrault.

 
Wir bewegten uns also in Richtung des bereits beschriebenen Ausgangs mit der Le Nôtre-Gedenktafel, wo zu jeder Jahreszeit auch diverse Verkaufsstände mit Souvenirs aufgebaut sind. Diesmal gab es außerdem noch einen Stand mit gebrannten Mandeln, wie man sie in Deutschland fast nur von Weihnachtsmärkten her kennt. Da seit unserem improvisierten Mittagessen im Hotelzimmer schon eine geraume Zeit verstrichen war, stellten wir uns an diesem Stand an, was mir am Ende zu einem Erlebnis verhalf, das ich gerade in Frankreich mit seiner, gelinde ausgedrückt, etwas eigentümlichen Sprachauffassung nicht erwartet hatte: Das erste Mal war ich doch einigermaßen erstaunt, als der Verkäufer meinem Vordermann, der auf Deutsch gesagt hatte, was er haben wollte, in ziemlich akzentfreiem Deutsch antwortete. Ich ließ mich dadurch aber trotzdem nicht davon abhalten, Französisch zu sprechen, auch wenn eindeutig klar war, dass ich zu derselben Gruppe gehörte und ansonsten auch Deutsch sprach. Meine Verwunderung wuchs allerdings ins schier Unermessliche, als ich auf einmal eine deutlich größere Tüte Mandeln in der Hand hielt, als ich erbeten und bezahlt hatte, worauf mir der Verkäufer erklärte, das sei fürs Französisch-Sprechen! Und das ausgerechnet in dem Land, in dem normalerweise jeder Vertreter der Grande Nation ohnehin davon ausgeht, dass man als Besucher – von wo auch immer – einfach Französisch zu können hat! Diese Art von „Sprach-Bonus“ hat mich dann doch sehr erstaunt und angenehm überrascht.

(Dieser Blogeintrag ist ein Auszug aus der gleichnamigen, in meinem Buch „Höhenangst in Paris, böhmische Drachen und eine wenig bekannte Wiedergeburt“ im Anthea-Verlag erschienenen Reiseskizze. Sie können Sie auch in elektronischer Form in dem E-Book über das jeweilige Land erwerben.)
 
 
Copyright 2015. All rights reserved.
Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü